Erst eine Posse, dann folgte das Drama – und alles auf unserem Golfplatz?
24.1.2022 Der Begriff Kuckuckskind steht bekanntlich für ein Kind, das aus dem Seitensprung einer untreuen Ehefrau entstanden ist und dem gehörnten Ehemann als eigener Nachwuchs untergeschoben wird. Der Ausdruck ist abgeleitet vom Kuckucksvogel, der seine Eier in fremde Nester legt. Ähnliches spielte sich im vergangenen Jahr wohl auf unserem Golfplatz ab – leider ohne Happy End.
Im Frühjahr 2021 staunten Golferinnen und Golfer nicht schlecht. Ein Paar der wilden Kanadagänse präsentierte ihnen am Teich zwischen den Bahnen 13, 14 und 16 seinen frisch geschlüpften Nachwuchs in Form von sechs flauschigen Küken. Das alleine ist nichts Besonderes, aber eins der Küken viel auf, weil es heller als die übrigen war. Mit fortschreitendem Wachstum und sich bildendem Federkleid wurde deutlich, es war weiß!
Deutete sich hier etwa eine biologische Sensation an? Die allwissende Frau Google jedenfalls kennt bisher keinen Albinismus bei Kanadagänsen. Unter den Golfern wurde über ein Amüsement von Mutter Gans in Form eines Seitensprungs spekuliert. Da Gänse aber monogam leben, erscheint das unwahrscheinlich. Es hält sich allerdings hartnäckig ein Gerücht, nach dem den Gänsen von Menschenhand zwei Hausgänseeier untergeschoben worden sein sollen.
Beim weiteren Heranwachsen wurde auch die kompaktere Körperform des weißen Kükens, nennen wir es Frida, deutlich. Ein weiteres Küken aus der Gänsefamilie fiel ebenfalls durch einen kompakteren Körperbau auf und ähnelte im Gefieder einer Graugans. Laut Frau Google ist zu vermuten, dass es sich hierbei um eine Pommersche Hausgans handelt. Sie erhielt den Namen Fridolin.
Im Laufe des Sommers nahm die Gänsefamilie einen Standortwechsel zu dem Teich zwischen den Bahnen fünf bis sieben vor. Die beiden „Stiefküken“ waren in dem Familienverband offensichtlich bestens integriert, glücklich und zufrieden. Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus scheinen in der Welt der Gänse Fremdwörter zu sein.
Soweit zur Posse, jetzt zum Drama
Es begann mit den ersten Flugversuchen des Familienverbandes, bei denen die Haltungsnoten für Frida und Fridolin miserabel ausfielen. Im Gegensatz zu ihren Stiefgeschwistern konnten sie trotz ehrgeizigem Üben nicht richtig fliegen. Nach wenigen Metern in der Luft klatschten ihre zu schweren Körper wieder auf das Wasser. Da nützte auch der aufopferungsvollste Nachhilfeunterricht durch die Elterntiere nichts.
Starteten die flugfähigen Familienmitglieder zu ihren Übungsflügen, schnatterten Frida und Fridolin ihnen lauthals hinterher. Offensichtlich fühlten sie sich verlassen und waren unglücklich. Immer häufiger blieben sie am Teich alleine zurück. In den frühen Morgenstunden kamen die Elterntiere regelmäßig vorbei und gaben ihren Kuckuckskindern Flugunterricht. Vergeblich! Irgendwann gaben sie auf und verschwanden. In ihrer Einsamkeit hatten Frida und Fridolin sich wenigstens noch gegenseitig. Aber wie lange noch?
Ein für Gänsen wichtiges Datum ist der 11. 11. jeden Jahres, der Martinstag ist ein traditioneller Gänsebratentag. Beide Kuckuckskinder überlebten ihn. Einige Tage später war Frida allerdings spurlos verschwunden. Weder Federn noch Blut wiesen auf den Riss etwa durch einen Fuchs hin.
Da Gänse sehr soziale Tiere sind, litt Fridolin deutlich unter der Einsamkeit. Rasteten mal Wildgänse an dem Teich, suchte er Anschluss. Sie nahmen ihn aber nie in ihrer Mitte auf. Er stand stets abseits und blieb ganz offensichtlich ein Außenseiter.
Einsam überstand Fridolin mit dem Weihnachtsfest Tage, die von den Menschen gerne mit Gänsebraten in Verbindung gebracht werden. Wie aber soll es mit ihm weitergehen?
Des Dramas letzter Akt
Das scheue, mit Wildgänsen aufgewachsene Tier lässt sich nicht einfangen. Bei entsprechend schlechter Witterung mit Eis und Schnee wird Fridolin zugrunde gehen. Ein zugefrorener Teich böte dem flugunfähigen Fridolin keinen sicheren Rückzugsort vor dem Fuchs oder streunenden Hunden.
Der weitere Verlauf von Fridolins Leben liegt in den Händen der örtlichen Jägerschaft. Es ist vielleicht die beste Lösung für unseren unglücklichen Fridolin.
Hans Schmutte